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wann jemand zu ihm kam, und beklagte uns, dass wir an diesem orhte sitzen müsten, sagend es wäre in gantz Russland kein bosshaffter volck zu finden als in dieser stadt; er wolte ihnen aber schon mores lernen, sobald nur seine vollmacht wegen commando des ohrts eingelauffen. Und solche desto ehender auszuwircken fuhr er in persohn den 26 Jul. zu den vice gouverneur Kurbatow nach Archangel.

Er war aber etwa auf dem halben wege gekommen, so erhielte er eine occase vom vice gouverneur durch den schreiber Steffan Gregoriewiz Metrofanowics, vermöge welcher der woiwode ihm das commando abtreten solte, und mit selbiger langete er den 5 Aug. wieder in Soliwizegodskai an.

Wie gern oder ungern nun jener seinen posten verlassen mochte, wil ich anitzo nicht determiniren. Gewiss ist es, dass die bürger ihn gern behalten hätten, und solche affection zu ihm bezeigten sie vor seiner abreise noch mit allerhand geschencken, biss er endlich den 13 Aug. mit der gantzen famille nach Wollogda zu wasser abfuhr.

Sobald nun der commissarius Feofan Anickewiz freye hände bekommen, setzete er das gantze wesen auf einen andern fuss. Und wie er selbsten infatigable in des Czaaren dienst war, so wolte er auch alle unter ihm stehende eine gleiche promtitude angewehnen. Über kleiner geschencke von etlichen copequen oder griefen, welche so viel bey Ivan Romanowiz gewircket, moquirte sich dieser nur, und wenn ihm der kopf nicht recht stund, so jug er die geschencketräger über hals über kopf zur thür hinauss.

September 1711.

Alle czarische befehle publicirte er öffentlich oder liess sie auf dem marckt anschlagen, dass ein jeder einwohner solche lesen konte, und die ausgeschriebene werbung der soldaten pousirete er so fleissig, dass er in kurzer zeit von 6 wochen ohngefehr bey 250 mann aufbrachte. Er visitirete diejenigen in persohn selbst, welche zu soldaten solten angenommen werden, und wann einige sich kranck anstellen wolten, prügelte er sie selber so lange, biss sie die warheit gestehen müssen, dass ihnen nichts schadete.

Weil aber uns dieses wenig angehet, was er in czarischen diensten gethan, so verschweige ich das übrige und melde nur, Hist. Handl. XIX: 1. v. Weihes dagbok.

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dass die sämtliche schwedische gefangene ihm auch dieses lob beylegen müssen, dass er einer von den besten commandeuren gewesen, so wir jemahls gehabt. Er bezeigete uns nicht allein, wie schon gedacht, alle höfligkeit und precedence vor den Russen, wann wir zu ihm kamen, sondern hat uns auch alle justice wiederfahren lassen, dergestalt dass er straks angesichts denen jenigen die batogge geben liess, welche uns gescholten oder sonsten tort gethan. Er gab uns freiheit über den strohm zu fahren und etliche würst auszureisen, wenn wir nur einen wachtkerl mitnehmen wolten. Und da den 11 Sept. vom czarischen senat aus Moscau die ordre einlief, dass ein officier von unsrer columne dorthin solte permittiret werden um geld abzuhohlen, hielte er uns gar nicht lange mit unterschreibung des reisepasses auf, wie Ivan Romanowiz zu thun pflegte, wann nur ein knecht nach Jerinskoi oder Ustiga solte geschicket werden, sondern veranstaltete alles so promt, dass der lieutenant graf Polus den 15 Sept. dorthin abfahren konte.

October 1711.

Der gröste haubtpunct und meiste schwierigkeit bestunde in verordnung besserer quartiere vor die gefangenen, sintemahl Ivan Romanowiz durch geschencke verblendet die reichen bürger und deren verwandten niemahls beschweren wollen. Allein auch dieses schaffete der commissarius Feofan Anikewiz ab und gab denen sotniken oder stadtdienern ordre, dass man uns ohne verzug diejenigen stuben einraumen solte, welche wir nur begehren würden. Wie denn unter andern des capitain Modée sein wirth mit etlichen derben ohrfeigen abgewiesen ward, als er bey dem commissario klagen und ihn nicht gern ins quartier einnehmen wolte. Dieses setzete die andern Russen in solche furcht und respect, dass sie gar gern die thüre aufmachten und die angewiesene Schweden einliessen. Aber wie man im gemeinen sprichwort zu sagen pfleget: strenge herren regieren nicht lange, so ward uns dieser gute commandeur auch bald genommen; denn ob die bürger bey dem vice gouverneur über ihn geklaget, oder ob er sonsten wegvociret worden, wil ich nicht genau determiniren.

Zwar scheinet das erstere nicht unglaublich zu seyn, weil den 6 Oct. der commissarius aus Ustiga Semon Matfewiz Akisow ankam mit einer occase, dass die stadt Soliwizegodskai

NOVEMBER, DECEMBER 1711.

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nebst ihrem district hinführo auch unter seinem commando stehen solte, wesfals nicht eine geringe antipathie zwischen diesen beyden commissarien entstunde, und kurtz darauf am 13 Oct. Feofan Anikewiz seinen abschied nahm, weil er durchauss von jenes ordre nicht dependiren wolte.

So bald nun dieser abgefahren, setzete Akisow den obgedachten schreiber oder podiazek Steffan Gregoriewiz zum obristen befehlhaber in der stadt und ansagte uns auch dabey, dass wir uns an denselbigen halten und zu ihm gehen solten, wenn wir was zu suchen hätten. Aber die lahme conduite dieses schreibers veruhrsachete, dass man uns viele beqvemlichkeiten wieder entzog, so der commissarius Feofan uns nachgegeben, und insonderheit entstund gleich wieder ein allarm wegen der quartiere.

November 1711.

Die wolhabende bürger suchten ihre alte practiquen wieder hervor und liessen die Schweden hier und dar aus den hausern treiben, wenn sie schon nicht lange bey ihnen quartier gehabt. Der podiazek war leicht bestochen, weil er mit wenigen verlieb nahm, und die geschencke der Schweden gefielen ihm auch wol. Dahero gieng es bunt durcheinander, und wer am meisten spendiren wolte, der gewann die sache.

Wegen dieser troubles nach Ustiga zu klagen belohnete die mühe und unkosten nicht, denn Akisow war auch ein Russe. Ich wil sagen, er liebete die geschencke eben so wol wie alle andere Dii minorum gentium, welche ihres ampts nicht lange versichert sind.

Er sandte zwar den 15 Nov. einen diack oder secretarien von Ustiga herüber, nahmens Gregorie Firsow. Allein derselbe hatte keine ordre sich weiter zu meliren, als nur die hauser der einwohner messen zu lassen und die czarische grundgelder einzutreiben.

December 1711.

Wie nun den 21 Dec. der siberische gouverneur fürst Matfé Petrowiz Gagarin bey uns durchpassirete, nahmen wir gelegenheit demselben aufzuwarten und den unaufhörlichen tumult wegen der quartiere vorzustellen. Da dann besagter fürst eine sonderbahre gnade gegen die schwedische gefangene blicken

liess, und ohngeachtet die stadt Soliwizegodskai seinem gouvernement und befehl nicht unterworfen, warnete er doch die bürgerschafft uns nicht übel zu hantieren, sagend es wäre Ihre Czarische Maj. wille, dass wir zum wenigsten ein jahr in jedem quartiere stehen solten.

Ausserdem bezeigete der fürst in gegenwart vieler Russen uns eine ungemeine complaisance und tractirete mit wein und confect alle, die zu ihm hinaufgiengen. Die restirende 88 rubel in Jerinskoi befohl er dem woiwoden daselbst, Ivan Collogriwow, welcher auch zugegen, alsobald auszuzahlen. Und eben wie er denen officieren in Wergaturia und Solikamskoi geld vorgeschossen, so resolvirete er uns gleichfals wegen gegenwärtiger misere 400 rubel oder 1250 thlr silbermüntz gegen assignation an ihro excell. den herrn graf Piper vorzustrecken. Ja, was noch mehr zu rühmen, so acceptirete er auch 6 privatwechsel auf 258 rubel, welche einige officier an den h. graf Piper, an den h. feldmarschall, h. obristlieut. Gyllenkrook und kriegsscommissaire Melander zu bezahlen remittireten.

Nachdem er nun seine sachen depechiret, gab er dem woiwoden von Jerinskoi schriftliche ordre obgedachte 658 rubel in seinem gebiehte anzuschaffen und uns zu übersenden, reisete auch noch selbigen abend mit seiner suite nach Ustiga fort, in welcher unter andern folgende schwedische officier sich befunden, so der fürst theils nach Moscau, theils nach Wollogda zu fahren beuhrlaubet, auch mit freyem vorspann versehen hatte, nemlich

Rittmeister Lillieström
Rittmeister Teetengren
Lieutenant Krebs

und Kriegsfiscal Engwall.

Rittmeister Blohm
Capitain lieut. Seger
Cornet Holmdorf

Wie hoch nun die generosité dieses fürsten man zu loben uhrsache hat, so sehr und mit gutem fug wird ein jeder billich tadeln den geitz des mehrgedachten woiwoden von Jerinskoi Ivan Meronowiz Collogriwow. Dann wie strenge ordre er auch empfangen uns angesichts geld zu senden, so hielte er doch so lange hinter dem berge, biss wir ihm ein uhr von 15 rubel schencketen und solches durch fendrich Biörnberg den 25 Decemb. nach Jerinskoi schicketen. Dann nach præsentirung liess er an die columne 330 rubel zahlen.

er

Mit dem rest und übrigen privatwechselgeldern machete von neue schwirigkeiten und sagete es wäre kein geld

mehr vorhanden, biss endlich capitain Bengt Hård den 3 Januar. wieder nach Jerinskoi fuhr und ihm noch ein uhr von 13 rubel zu geschenck brachte, worauf er mittel gnug wuste geld von den bauren einzutreiben.

Januarius 1712.

In Ustiga hatte der commissarius Akisow bey des gouverneurs fürst Gagarins durchreise vielleicht auch wahrgenommen, dass unterschiedliche schwedische officier mit besagtem fürsten gefolget und permission erhalten theils in Wollogda, theils in Moscau zu bleiben, wannenhero er solchem exempel zu folge sich endlich auch erbitten liess etlichen der unsrigen zu vergönnen, dass sie in Ustiga bleiben möchten, wie er dann nach der hand einem jeden, welcher diese freyheit mit milder hand suchen wolte, dieselbige wiederfahren liess, und solche schriftlich ertheilete an

Capitain Rango den 25 Dec.;

Lieut. Sparre

Lieut. Stockenberg

Fendrich H. Hierta den 1 Januar.;

Lieut. Jean Hårdh den 8 Febr.;

Lieut. Stråål den 12 Febr.;

Lieut. Finckenberg den 26 Febr.;

Fendrich Cordes den 23 Mart.;

Lieut. Wrangel

Fendrich Lenard Hierte den 14 Jul.;

Lieut. Flemings beyde brüder

Lieut. Leyonschiöld und

Fendrich Jean Taube den 25 Jul.

Andere, so nur auf etliche tage nach Ustiga reisen und daselbst eine visite machen wolten, remittirte er an hiessgen schreiber, welcher gegen gestellete caution sie beuhrlauben solte, und zwar anfangs ohne entgeld. Als aber etwa 7 von uns sich dieser spatzierfahrt bedienet hatten, liess er einen tribut von 25 altin verordnen an die pricase zu bezahlen von allen denen, welche nach Ustiga fahren würden, es mochte seyn herr oder knecht. Wer nun diesen judenzoll entweder nicht wolte oder nicht konte bezahlen, der muste zu hause bleiben.

Den 7 Jan. brachte man von Moscau einige officier und civilbedienten aus der wiborgschen guarnison, welche nach

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