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5.

Noch viel weniger durfte er ohne specielle ordre desfals einen officier nach Moscau permittiren.

Die briefe dorthin nach Moscau an unsre generals solten von dem woiwoden angenommen und bestellet werden. Freiheit bier zu brauen könte man uns nicht einwilligen, weil es gar zu sehr wieder das czaris. interesse lieffe.

Gleich wie nun in diesen puncten wenig gutes enthalten, also lief auch die verhoffte revange gegen den burgermeister fruchtloss ab, massen der woiwode nimmer desfals eine weitere nachfrage gethan oder jemand zur strafe gezogen, sondern es blieb bey Matts Beckers urthe[i]l, wer was gekriegt hatte, der muste es behalten, und ihro fürstl. durchl. der gouverneur reisete den 17 Jun. zu wasser wieder nach Archangel ab.

Zwar überlieferten wir am 21 Jun. ein paquet briefe an den woiwoden mit bitte solche nach Moscau an unsere generals zu befodern; aber man kan nicht wissen wo diese post hingekommen, weil nimmer eine antwort darauf erfolget. So schwer war es, die geringste correspondence in diesen weit entferneten öhrtern zu haben, obschon man die briefe gern offen liess und nichts verdächtiges geschrieben wurde.

Julius 1710.

Doch unangesehen alle unsere mühe vergebens gewesen, erhielten wir endlich den 14 Jul. gantz unvermuhtet die gewisse nachricht aus Moscau, dass ihro excell. der herr graf Piper schon anstalt wegen eines wechsels machen und geld vor die gefangene auszahlen lassen. Denn diese fröliche zeitung debitirte vor uns der polnische general Sienizki, welcher nebst seinem vetter und dem capitain Ferguson in eisen geschlossen und gefänglich nach der stadt Toboloska in Siberien gebracht würde. Sie waren sämtlich in ungnade gefallen, und zu dieser weiten reise condemniret worden, der general zwar wegen einiger nach Polen geführten correspondence, der cap. Ferguson aber seinem vorgeben nach, weil er sich mit dem fürsten Menzikow brouilliret, desfals dass man ihm seinen abschied versaget, da er nebst seinen übrigen landsleuten auf geschehene avocation der Königin von Engeland nach hause reisen wollen.

1 A. 1712 kam sein bruder u. wolte ihn rancioniren; man nahm ihm aber dass geld u. setzte ihn gefangen in Archangel (tillägg i marginalen).

Siberien ist an sich selber ein überaus fruchtbares land, um dem Kama, Tobol, Irtis, Keta und Obiestrom gelegen, bringet getreide, fisch, fleisch, saltz in grosser menge hervor, so dass die Russen zum öftern ihre wohnungen anderwerts verlassen und sich daselbst wegen guter nahrung hinbegeben. Es dienet auch allen denjenigen zur retirade, welche sonstwo schelmstück begangen oder nicht lust haben soldaten zu werden; denn weil es sehr weit abgelegen und weitlauftig ist, hat man sehr viel mühe jemand allda auszuforschen. Peltzwerck ist in Siberien überflüssig, und insonderheit werden die vortreflichen zobeln allda gefangen, welche man sonst an keinem ohrt in der welt findet. Volck und mannschafft gibts gnug im lande, so dass der Czaar etliche 1000 recruten alle jahr

herausnehmen kan.

Wie angenehm aber aus obgedachten ursachen dieses Siberien den Russen ist, so erschrecklich hingegen komts den frembden nationen vor, theils wegen der fernen abgelegenheit, theils wegen der barbarischen einwohner, sintemahl es ausser denen Russen von lauter abgöttischen Tartarn oder heiden bewohnet wird. Dahero wann jemand eine schwere strafe verdienet, schicket der Czaar ihn nur nach Siberien und lässet ihn da sitzen, darf auch gar nicht befürchten, dass er weglaufft, denn je weiter er komt nach osten, süden oder nordern, je ärger ist das land und heidenthum der völcker.

Augustus 1710.

Den 26 Aug. reisete der woiwode über den strohm nach Lealsk, ein flecke, 60 würst von der stadt gelegen und auch unter seiner disposition gehörig. Es hat ziemlich wolhabende einwohner, welche schon capables waren ihm die reise zu bezahlen, denn obwol man dergleichen visiten vornimt unter dem schein das Czarische interesse zu beobachten, so ist doch der gebrauch in gantz Russland schon eingeführet, dass man auch die Czarische bedienten dabey braf beschencken muss. Und gehet es hierunter den guten leuten mit ihrer gabe eben so, wie der clerisci[!] in Franckreich mit dem don gratuit; wann sie es nit gutwillig bringen, hat man tausend moyen es selbst zu nehmen.

Zeit seiner abwesenheit, nemlich den 28 Aug., lief der obgedachte wechsel bey uns ein, datiret Moscau den 18 Jun. a. c.

SEPTEMBER, OCTOBER 1710.

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und gestellet auf 1756 rdl. silbermüntz 18 öre. Allein zu unserm unglück solte das geld an Gerinskoi, 20 meil von hier, auf der dasigen pricase laut gouverneur Gagarins assignation ausgezahlet werden.

Gewisslich hat man diese adresse aus einem kleinen groll gegen die Schweden gegeben, damit nur die zeit verlängert würde und einige gefangene crepiren möchten, sintemahl das geld gar leicht und promt in unser stadt hätte können ausgezahlet werden; nun aber lies es ziemlich auf die lange banck aus.

September 1710.

Denn nachdem der woiwode endlich von Lealsk zu hause gekommen, producirten wir ihm den wechsel und brachten es dahin, dass er den 11 Sept. an den burgermeister in Jerinskoi abgesand wurde. Dieser liess es auf seine discretion ankommen und gedachte auch die Schweden hätten zeit gnug.

October 1710.

Endlich schickete man den 15 Oct. aus gnade und barmhertzigkeit 400 rubel oder 1250 rdr. silberm. über, vorgebend es wäre nicht mehr geld in cassa gewesen. Der rest blieb unbezahlt, biss wir den 17 Dec. auf unsere eigene unkosten nach Jerinskoi schicken und ihn gleichsam aus der höllen hervorsuchen musten.

Durch solche und andere dergleichen unbilliche proceduren haben wir immer mehr und mehr empfunden, was vor eine elende creatur ein gefangener in Russland sey. Die Turcken und africanische seerauber machen zwar ihre gefangenen zu esclaven und leibeigene, belegen sie auch mit schwerer arbeit; aber dabey gibt man ihnen doch den lebensunterhalt und lässet sie nicht hungers sterben; man verhindert auch nie daselbst, dass ein armer gefangener den ihm zugesandten wechsel bekommen möge, sondern vergönnet auch bissweilen, dass etliche in die christenheit ausreisen und durch allmosen so viel geld samblen mögen, dass ihre camerathen dadurch rancioniret werden.

Das gegentheil von dieser bey den barbaren gewöhnlichen güte haben wir bey den christen in Russland erfahren, nicht zwar auf sonderbahren befehl Ihro Czaarischen Maj. oder dero hohen bedienten und gouverneurs, sondern durch treulosigkeit derer commandanten, woiwoden und burgermeisters in denen von Moscau weit entlegenen städten dergestalt, dass von der

hohen obrigkeit gute ordres ausgegeben worden uns honêt zu tractiren, aber die geringere bedienten dieselbe niemahls beobachtet, sondern uns nicht allein von der canaille zum öfftern chicaniren lassen als auch den gemeinen das verordnete proviant abgeschnitten und den officieren ihre von den generals aus Moscau übersandte wechsel mehr als jahr und tag sonder auszahlung hinterhalten, dass so wol jene als diese haufig creviren oder dienst annehmen müssen. Ich würde übel thun, wann ich etwan aus privat hass mit auszeichnung allerhand unwarheiten die zeit verspillen solte. Weil aber das obengeschriebene mit so viel 100 zungen bey allen columnen kan bewiesen werden, wäre es nur eine sottise dasjenige verschweigen wollen, was die gantze welt weiss.

Doch um desto behutsamer in dieser sache zu gehen, wil ich mich nicht aufhalten mit relationen von andern ohrten, sondern dieses zum fundament setzen, was uns selbst in Soliwizegodskai wiederfahren.

Januarius 1711.

Den 6 Jan. erhielten wir von der generalität aus Moscau einen wechsel von 1159 silberm:tz 8 öre auf 2 monahts gage und würden nicht wenig dadurch soulagiret worden seyn, wann das geld gleich ausgezahlet wäre. Aber weit gefehlet; die assignation lautete wieder auf das städgen Jarinskoi, und der neulich daselbst constituirte woiwode Ivan Meronowiz Kollogriwow führte sich viel irraisonabler auf, als der burgermeister gethan und spielete das werck unter allerhand prætext so auf die lange banck, dass die zahlung ein gantzes jahr daurete. Er hatte auch gute gelegenheit dazu; dann anfangs hielte es sehr hart, ehe wir von unserm woiwoden Ivan Romanowiz konten permission bekommen jemand nach Jarinskoi zu schicken, sintemahl derselbe vorwandte er dürfte es nicht thun, weil Jarinskoi in einem frembden, nemlich dem siberischen gouvernement belegen wäre. Dahero wir mit vielen persvasionen und cautionen ihn gleichsam abzwingen musten, dass er den munsterschreiber Richter dorthin permittirte. Dieser fuhr den 10 Jan. ab nach Jarinskoi, wurd aber bald mit der schnöden antwort abgefertiget, es wäre kein geld in cassa. Allein die losung war, wir solten spendiren, wie denn der woiwode auch würklich unter der hand durch seine bedienden sagen liess, wir müsten

ihm einige præsenten von kleidern, degengehängen oder feinen strümpfen offeriren, wann wir das geld wolten bezahlet haben.

Auf solche gegebene nachricht reisete unser expresser auf eigene unkosten den 23 Febr. zum andern mahl wieder ab, bey sich habend ein paar feine strümpfe etwa 6 carolin werth, und diese hatten so gute audience, dass man endlich 150 rubel 20 cop. auf den wechsel auszahlete, aber mit dem zusatz, dass der woiwode zu die strümpfe gern auch ein paar teutsche gute schuch haben wolte.

Wir schämeten uns mehr solche elende geschencke zu thun, als jener sie anzunehmen. Weil er es aber selbst begehret, musten wir auch darein consentiren und fertigten den 2 Maj. zum drittenmahl den munsterschreiber Richter nach Jarinskoi ab mit die verlangte teutsche schuch. Aber diese wolten zum unglück auf die russische füsse nicht passen; dahero der woiwode resolvirete in deren stelle 60 cop. zu nehmen und uns vor dissmahl 132 rubel 40 cop. auf den wechsel zahlen zu lassen, abermahls vorgebend, es wäre kein geld mehr in cassa, und müsten wir mit dem rest warten.

Dass aber solcher vorwand nur falsch und nichtig gewesen, kan man gar leicht hierauss abnehmen, dass besagter woiwode nicht lange darauf 8000 rubel promt auf czaarische ordre nach Moscau übersand. Vor uns aber war es unmuglich nur 88 rubel aufzubringen, und als wir den 15 Jul. nochmahl einen expressen desfals nach Jarinskoi abgefertiget, hiess es er hätte solche scharfe ordre empfangen, dass er alle alte assignationes so lange auf die seite setzen und unbezalet lassen solte, biss das czaarische geld abgetragen wäre.

Wie sehr nun durch diese unbilliche hinterhaltung des wechsels die misere bey einigen officieren gewachsen, ist schwer zu beschreiben; was solte man vor moyen haben geld von solchen leuten zu kriegen, die dasjenige nicht geben, was sie schuldig sind zu geben. Die einwohner unsers orths schämeten sich nicht auf doppelt pfand 10, 15 ja 20 pro cent zu nehmen jeden monath, und wenn das pfand nicht præcise auf bestimte zeit ward eingelöset, verkaufften sie es gar. Nichts desto weniger musten wir uns mit obiger resolution gedulden, biss den 21 Decemb. der siberische gouverneur, fürst Matthæus Gagarin, durch Soliwizegodskai passirete und dem woiwoden von neuem ordre gab das restirende geld zu bezahlen. Und also kostete uns die ausstreibung dieses wechsels nicht allein

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